Hier noch weitere Impressionen von den/Einschätzungen zu den Schmalfilmtagen, welche einzeln zu klein für einen eigenen Artikel wären.
Momentaufnahme eines der iranischen Filme, in welchem die moderne Gesellschaft dargestellt wird. Die Vorstellung erfolgte in der Motorenhalle
Der zweite Iran-Schwerpunkt war so lehrreich und informativ wie der erste. In dieser Veranstaltung wurden Filme aus den Jahren 1969-1979 gezeigt.
Es begann mit mehreren Filmen, welche in loser Reihenfolge zusammenhingen und die durchgehende Geschichte eines Trompeters erzählten. Sie wirken heute durch unaufgelöste Skurrilitäten etwas eigenartig, waren im damaligen Kontext jedoch verständlich. Beispiel: ein Kasten quer im Treppenhaus, der später im ganzen Haus einen immer stärkeren, aber schwer lokalisierbaren Geruch verbreitet, aus dem dann der lebende Trompetenspieler steigt und im Verlauf der anschließenden Wirrungen aus dem Haus entschwindet.
Es folgte ein Film einer weiblichen Autorin, welcher eine traditionell lebende Familie zeigte, deren Sohn Probleme mit dem Geheimdienst bekommt. Frauen als Filmemacherinnen wurden damals sehr begrüßt. Es gab jedoch nicht viele davon und von den wenigen konnten einige aufgrund der dann beginnenden Revolution ihre Ausbildung nicht abschließen.
Außerdem wurden Bilder von der Konstitutionellen Revolution 1905-1911 gezeigt.
In der anschließenden Fragerunde wurde klar, dass die damalige iranische Filmszene gut europäisch vernetzt war.
Die Worksshops konnten dieses Jahr mehr oder weniger komplett fertiggestellt werden. Der einzige komplette Film war der aus dem Kaffenol-Workshop und zeigt die experimentierenden Filmemacher*innen auch mal als Schauspieler*innen, was für sie teils eine neue Erfahrung war. Der unfertige, aus altem Material rekombinierte Film aus dem Found-Footage-Workshop zeigte nochmal deutlich, wie sehr das Super-8-Format damals ein Hobby-Format war, in dem eine Vielzahl an Urlaubssequenzen gedreht wurde, welchen heute nur mühsam noch eine Bedeutung zugeschrieben werden kann.
Pro-Tipp: Wer nichts mit Filmen zu tun hat, aber Ruhm für einen Tag erlangen möchte, kann sich zu den Workshop-Zeiten um den Riesa-Efau herumtreiben, mit dem Fahrrad herumfahren o.ä.. Es besteht eine Chance, mit im Bild zu landen und noch am selben Abend auf der Leinwand zu erscheinen, ggf. zweigeteilt, vierfach, orange eingefärbt, mit dadaistischen Figuren ergänzt, ...
Bei den international angelegten Schmalfilmtagen konnte man auch etwas zu Themen der Internationalität selbst erfahren.
So wurde in einem eigenen Programmpunkt das Verhältnis zwischen den tatsächlich existierenden rein französischsprachigen Einwohner*innen des Québec und den anderen Landesteilen Kanadas ausgelotet, wobei bei manchen der gezeigten Filme teils mehr mit der Schmalfilmtechnik experimentiert wurde als Sachinformationen vermittelt. Im anschließenden Gespräch wurden sie dann ergänzt, z. B. dass der Film mit dem farbstichigen Flaggenmeer einen Tag vor dem Unabhängikeitsreferendum, welches übrigens sehr knapp für einen Verbleib Québecs in Kanada ausgegangen war, gedreht wurde.
Außerdem konnte man in Gesprächen am Rande einen fließenden Übergang zwischen französisch und englisch hören, bei dem mitten in der Konversation zwischen den Sprachen gewechselt wurde und teils Wörter aus der jeweils anderen Sprache eingesetzt wurden.
Auch der Brexit war ein Thema. War er in der Anfangsphase ein erhebliches Problem (es war sogar ein Paket verlorengegangen, zum Glück ohne bereits gedrehtes Filmmaterial), so ist er weiterhin ein fortbestehendes Hindernis, z. B. für die Zugänglichkeit von frischem Filmmaterial.
Dieses Jahr gab es auf dem Festival selbst wenige technische Fehler. Ein gerissener Film war dabei. Die Kopie war im Vorfeld der Veranstaltung nicht gesichtet worden, jedoch immerhin ein anderer Film als Fallback mit dabei.
Bei der Workshop-Ergebnispräsentation stoppte der Vorführer den Film, spulte ihn bei eingeschalter Lampe zurück und startete ihn wieder, diesmal mit Sound, welcher jedoch bloß aus sphärischen Dauertönen bestand.
Beim Langfilm am Sonntag konnte man schön den Projektorwechsel an der Rollengrenze hören: der eine Projektor hört auf, zu rattern, während der andere damit begann; beide Projektoren standen nicht versteckt in einem Hinterraum, sondern direkt beim Publikum. Jedoch war die Tonspur des zweiten Projektors/Filmrolle deutlich lauter als die des ersten, wurde dann aber auf ein normales Niveau zurückgedreht.
Etwas problematisch an diesem Film (Angel City von Jon Jost) war der etwas längliche Text über Adolph, Leni und Eva, welcher zwar filmisch korrekt als absoluter Flop eingeordnet wurde und mit Nervenzusammenbruch und Mord assoziiert ist. Er war trotzdem schwer zu ertragen. Etwas schwach waren auch die Andeutung der mächtigen Netzwerke, die den Rexxon-Chef hervorgebracht haben, während er im Film als hauptsächlich selbst agierende Person dargestellt wurde. Den Film nicht zu zeigen, wäre jedoch keine Lösung gewesen, weil man so sehen konnte, dass schon 1976 Umweltthematiken diskutiert wurden und weil viele Wortspiele, Einblendungen und reflexive Aspekte zum Filmemachen an sich zu sehen waren.
Was nicht geht, ist a) das Vollziehen, b) das Filmen, c) das Zeigen (und d) das Schauen) von Tierquälerei, so verhielt es jedoch mit dem lateinamerikanischen Beitrag von "Komm doch näher".
Bei den Dreharbeiten oder der Postproduktion passieren immer wieder Fehler, auch wenn man noch so gut plant. So erzählte Arne Körner von einer Entwicklungsfirma, welche spurlos mitsamt ihrem Equipment und fremdem Filmmaterial aus dem Gebäude verschwand, weil sie Mietzahlungen nicht leisten konnte. Es gelang glücklicherweise, das Material wieder ausfindig zu machen und zurückzuholen.Es war jedoch immer nicht entwickelt, selbst das musste dann noch nachgeholt werden
Die Gemeinsamkeit der Filme beim Best-Of-Abend von Manuel Francescon und Michael Sommermeyer lässt sich schnell erklären: Alles ist überspitzt! Das erlaubt auch nonchalant, überraschende Wendungen, Ortswechsel und Themen einzubauen, woraus sich dann die "Verschwörungstheorie", die Super-8-Kassetten wären vor der offiziellen Produktion bei Kodak vorher schon jahrelang in Geheimlabors entwickelt worden oder woraus sich ein erkennbar unkorrektes Portrait der enorm tiefen und weitschweifenden Bunkeranlagen von Weiterstadt entwickeln lässt.
Ein wiederkehrender Betrachtungsgegenstand der Werke ist die Persönlichkeitsentwicklung. Ein Repräsentant davon ist das Motivational-Video, welches im Vorjahr im Internationalen Wettbewerb lief und den Publikumspreis gewann und nun im Best-Of wieder gezeigt wurde. In dem Musikvideo wird suggeriert, dass man Parties, die Veehrung durch Peers und das Um-Sich-Schmeißen mit Geld, dargestellt im Rap-Präsentationsstil, nahekommen würde, indem man den bei nüchterner Betrachtung doch eher trockenen Beruf eines Betonarbeiters ergreift.
In der Gesprächsrunde wurden viele Tipps gegeben, z. B. wie man Preise gewinnt (wird hier nicht weitererzählt), wie man Equipment kauft (nicht zu viel ausgeben), den Sound bearbeitet (digital produzieren und gefiltert auf den Film spielen) und welche Festivals cool sind (Weiterstadt).
Bild: Die runde Ecke, in der eine kleine Bar und Sitzgelegenheiten eingerichtet sind und der Best-Of-Abend stattfand
Auch wenn einige Beiträge schnell und überzeichnet waren, strahlten die Schmalfilmtage selbst eine gewisse Ruhe und Unaufgeregtheit aus, wie z. B. bei den Preisverleihungen sichtbar wurde. Das Publikum bestand zum Einen aus Hobby-Schmalfilmer*innen und zum Anderen aus Student*innen und Berufsanfänger*innen der Filmberufe, welche z. T. bzgl. des Filmformats noch nicht unbedingt eine Entscheidung getroffen haben. Finanzielle Aspekte spielen dabei eine erstaunlich geringe Rolle; durch Sparen von Bandlaufzeit ändert sich jedoch die Arbeit am Set und in der Vorbereitung und in der Postproduktion, z. B. muss man nicht jede noch so unvorbereitete Probe filmen.
Die Schmalfilmtage-Stimmung bewirkte auch, dass die Filmemacher*innen auf einer Arbeitsebene zusammentreten, experimentieren und Netzwerke spinnen konnten; alles in allem herrschte also eine produktive Atmosphäre.
30. Juni 2024: Aktive und passive Verlinkung Workshops