# Falls Sie eine Website erwarten, aber diesen # Abschnitt lesen können, löschen Sie bitte das # _index.htmx # vom Ende der Adresszeile. Danke! Meta: de Title: (Schmalfilmtage DD 25) Livevertonungswettbewerb Short Title: Schmalfilmtage, Livevertonungswettbewerb Author: Entirio Rotokoly Keywords: Dresden Publication date: 2024-03-16 + teaser + post >>teaser de 1.0
25. Schmalfilmtage Dresden

Livevertonungswettbewerb

Der diesjährige Livevertonungswettbewerb zeigte viele Kontiuitäten zum letzten Jahr, mit einigen Unterschieden im Detail.

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Allgemeines

Doch der Reihe nach. Jedes Jahr werden die Archive durchgesehen und eine sehr gemischte Auswahl an 16 Schmalfilm-Kurzfilmen herausgezogen, darunter Trickfilme, Filme über das gesellschaftliche Zusammenleben, chemische Prozessbeschreibungen, drehende Stahlbrücken, Arbeitsschutzfilme, etc.. Dann werden verschiedene Bands/Einzelkünstler*innen angefragt bzw. sie bewerben sich schon von selbst. Sie können sich einen der Filme auswählen und haben dann eine Vorlaufzeit von drei Monaten, um die Technik zusammenzustellen und eine Liedidee vorzubereiten. Es springen jedoch zuweilen welche ab, sodass mitunter sehr kurzfristig ein Ersatz gesucht werden muss.

Am Wettbewerbs-Abend selbst werden Startnummern einzeln anmoderiert, der Film (16mm, teils auch Normal-8 o.ä.) geht ab und die Musik beginnt, wobei kein Klavier zugelassen ist, ansonsten aber eigtl. alles geht (von Instrumenten der Klassik bis hinzu Loop-Sets und Sample-Maschinen). Nach den Darbietungen setzt sich die Jury zusammen und die vom Publikum angekreuzten Stimmzettel werden mehr oder weniger geheim eingesammelt, eilends ausgezählt und die Kommentarfelder ausgewertet. Dann wird der Jury-Preis verkündet. Anschließend wird der Publikumspreis verkündet und dessen Gewinner*innen dürfen noch was spielen.

So wie geschildert, lief es auch dieses Jahr ab. Die Teilnehmer*innen stehen auf der offiziellen Website, die Filme dazu seien hier kurz vorgestellt und angemerkt:

(1) Projekt Konrad Lorenz spielte zu "Protuberanzen"

Dieser Film dreht sich um aus der Sonne ausströmendes Gas, wobei sich besonders die Eruptionen wirkungsvoll musikalisch begleitet werden konnten.

(2) "Paul Geigerzähler" spielte zu "Die Schiffbrüchigen"

Ein Film, welcher von der Eskalation ohne Not zweier einsamer Schiffbrüchiger erzählt, die sich anfangs einen Wettkampf um das schönste Haus liefern, aber schnell beginnen, das Haus des anderen zu beschießen und am Ende die beiden Inseln mit Atombomben versenken, so dass sie, wie zu Beginn, wieder Schiffbrüchige sind.

Diesmal weniger eingesprochener Text des Künstlers, mehr Geige als letztes Jahr, die Handlung und Stimmung gut auffangend. Im Interview wies er auf die Vielzahl an moralischen Dillemata hin, welche eine klare Lösung zu finden so schwierig machen.

(3) Max Arsava spielte zu "Bremer Stadtmusikanten"

Ein Trickfilm (vmtl. Papierschnitt), welcher das gleichnamige Märchen stimmungsvoll nacherzählt.

Die Musik war durch Samples elektrischer Stör-Artefakte (Rauschen, Einschaltknacken einer kaputten Musikanlage) geprägt, neben Synthesizer-Klängen im Hintergrund.

(4) Bubu spielte zu "Elefantenschildkröte"

Der Film zeigt ein Forschungsteam, welches sich mit einer Machete durch den Wald schlägt, auf eine Riesenschildkröte stößt und diese von oben und unten vermisst.

Die Band hat eine schöne Jazzimprovisation daraus gemacht.

(5) Lilly Strada Group spielte zu "Wie wir hören"

Der Trickfilm zeigt das Ohr, die Gehör und ein Aufrollen der Schnecke, wobei die Gescheräuschimpulse an Ort und Stelle animiert werden. Er beginnt mit kurzen Szenen, in denen Bezug auf zwischenmenschliche Kommunikation und weiteren Alltagsnutzen des Gehörs genommen wird.

Die musikalische Untermalung war klangstark und lief, immer lauter werdend, präzise zum das Ende der Filmrolle hin.

Die Lilly Strada Group erhielt eine lobende Erwähnung von der Jury.

(6) Peuker spielte zu "Helme, Leitern, Gitter"

Hier wurden im Zeichentrick fünf tolpatschige Handwerker bzw. Industriearbeiter gezeigt, welche in allerlei Ungemach liefen, fielen und kletterten. Ihre Handlungen wurden mit Synthesizer, Loop, Theremin und aufgesägtem umgebautem Baseballschläger begleitet.

Matthias Peuker erhielt dafür den Publikumspreis und durfte den Schluss der Veranstaltung gestalten (s.u.).

(7) Noch mehr Maus spielte zu "Es lag einer"

Dieser Film zeigt eine reglos im Schnee liegende Person, wobei eine große Menge an Fußgänger*innen, ein Radfahrer und mehrere Autofahrer die Stelle passierten und sich in unterschiedlichem Maße um das Problem kümmerten. Die Polizei holten sie erst relativ spät. (Stichwort Zivilcourage)

Das Duo spielte mit Synthesizer und sprach dazu kurze Sätze in der Art "das kann mich kalt lassen" und "Das wird man sich wohl noch erlauben dürfen".

(8) Das Vertikal spielte zu "Kontaktverfahren"

Der Film zeigte einen Reaktionskolben mit eingelassenem Katalysator, in dem Schwefeldioxid (SO2) mit Sauerstoff (O2) zu Schwefeltrioxid (SO3) reagiert und ergänzt dazu Trickszenen auf atomarer Ebene zur Hin- und Rückreaktion. (Setzt man Wasser hinzu, ergibt sich übrigens Schwefelsäure H2SO4 u.a.)

Die Band erzeugte mit ihren Instrumenten für die verschiedenen Einstellungen unterschiedliche Klangszenen.

Das Vertikal erhielt dafür den mit 500 € dotierten Jurypreis.

Moderation und Jury

Dieses Jahr wurde das Publikum von Enna Miau durch den Wettbewerb geführt. Sie rief die Stimmung des Publikums ab (gute Stimmung), führte Interviews mit den Künstler*innen (erkenntnisreich, auch etwas webeorientiert), erzählte vom Ablauf der Vorbereitung des Wettbewerb (oben nacherzählt unter "Allgemeines"). Die Moderation hatte auch experimentelle Elemente. So verlas sie die Definition, die ChatGPT spontan für ein "Kontaktverfahren" bereithält. (es war die falsche, bezogen auf den Film) Ein Wikipedia-Aufruf stellt jedoch auch die richtige Definition zur Auswahl.

Die Jury verkündete Ihre Entscheidung ein wenig durcheinander; zuerst wurde der zweite Platz/lobende Erwähnung, dann doch noch der dritte Platz (Matthias Peukert, übrigens) und dann der Jury-Preis verkündet. Die lobende Erwähnung wurde kurz motiviert ("toller Sound"), die angelegten Kriterien oder überhaupt ein Merkmal des Siegerbeitrags jedoch nicht genannt.

Stil und Ansatz

Der Schmalfilm ist heute kaum mehr das Transportmedium für Nachrichten, gesellschaftliche Debatten, Unterhaltung, Anleitungen oder Dokumentation, sondern vielfach selbst Subjekt des Experiments. So werden die Filme in Tomatensauce entwickelt, monatelang in Bottiche gelegt o. ä., es werden rasante "Kamerafahrten" auf hintereinander ersetzenden Architekturfotos gemacht und neue Filme aus nahezu unkenntlichem historischem Material geschnitten.

Dieses Spektrum spiegelten die Musikbeiträge auf ihre eigene Art und Weise wieder. Die gezeigten Filme an sich hatten zwar klassische Inhalte, aber ihres Tons beraubt laden sie zu mehr oder weniger entkoppelten Klängen in der Livevertonung ein. (Dies schließt übrigens nahtlos an die Musikfilme/Videoclips von vorher an (wird verlinkt, sobald Post vorhanden)).

Diese Gelegenheit wurde dieses Jahr mehr als letzes Jahr ergriffen. In den Kurzinterviews fielen dazu passende Sätze wie "Wir haben versucht(!), das zu strukturieren."

Die klassische "narrative" Vertonung gab es natürlich auch dieses Jahr bei einigen Beiträgen.

Eine spannendes, vermutlich sehr ambitioniertes Unterfangen, nämlich den Sinn eines Films zu entstellen bzw. zu negieren, Gut zu Böse zu machen, wurde nicht versucht. Je eindeutiger das Bild ist, desto schwerer wäre es, mit dem Ton dagegen anzukommen.

Das Ende

Zu jedem Festival gehört ein gewisses Maß an Chaos und Irritation, so auch hier. Während vor zwei Jahren der Gitarrenspieler, welcher den Publikumspreis gewonnen hat, im "obligatorischen" Schlussinterview kaum ein Wort sagte und die Schluss-Darbietung weitgehend ohne Kommentar hintereinander weg spielte, gab es dieses Jahr ein Kontrastprogramm.

Nachdem der Jurypreis und der Publikumspreis vergeben waren, wurde Peukert kurz interviewt und dann sein Beitrag anmoderiert. Es war so gedacht, dass er den Film nochmal livevertont, und dann zwei, drei eigene Stücke zum Besten gibt. Tatsächlich jedoch hat er ein Mini-Konzertshow ohne erneute Filmvorführung veranstaltet, mit drei Liedern, die im Gedächtnis bleiben, insbesondere das letzte mit dem sehr präsenten Satz "Wenn ihr solche Musik hört, könnt ihr euch gegenseitig auf den Kopf kloppen!" (vorzustellen mit sächsischem Akzent und leicht agressivem Duktus).

Mit dieser Schlussshow und gelöster Stimmung im Publikum endete die gestrige Wettbewerbsveranstaltung.




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