Der Schwerpunkt historischer iranischer Filme wird nach einiger Erwartung auch tatsächlich gezeigt. Man kann sie sehen, die Schere in der damaligen dortigen Gesellschaft.
Obwohl auf den Schmalfilmtagen 2022 ("Wir haben kein Rezept") bereits der Iranschwerpunkt für das nächste Jahr angekündigt wurde, hat sich die Realisierung der Programme bis in dieses Jahr gezogen. Der zweite Teil wird am morgigen Freitag gezeigt werden. Dieser Post berichtet vom gerade gelaufenen ersten Teil auf den 25. Schmalfilmtagen.
Vor fünfzig Jahren wollte der Schah von Persien den Iran modernisieren,
wobei unter der Modernisierung eine Öffnung zum Westen hin und der Aufbau
seines säkulären Staats gemeint war.
Aufgrund der Ausgangslage, darunter ein einfachstes Leben, ein tief
verwurzelter shiitischer Islam und fehlende demokratische Bildung*,
ist dieses Modernisierungsprojekt sehr ambitioniert gewesen und konnte
nur mit großer Verbissenheit aufrechterhalten werden.
Das führt zu dem paradoxen Effekt, dass man damals im Iran das moderne
Leben zeigen musste, wenn man mit der Kamera unterwegs war. Es waren
Bilder von Autos, Frauen ohne Kopftüchern und Industriebetrieben erwünscht.
Manche Orte durften jedoch nicht zum Drehen aufgesucht werden und Motive wie
Pferdekutschen, Schmiedehandwerk, alte Schlammzeremonien zu Ehren eines
Mohammed-Enkels, die Ausübung der Zarathustra-Religion etc. sollten nicht
gezeigt werden.
(komischerweise durften an der Modernisierung zurückkehrende Iraner*innen
von ausländischen Universitäten etc. nicht mitwirken; sie sollte
von Innen aufgebaut werden.)
Auch wenn nicht überall gefilmt werden durfte, so wurde doch überall gefilmt. Dies brachte die Filmemacher*innen jedoch in Schwierigkeiten mit der Geheimpolizei, welche von kleineren Repressalien über Verlust des Equipments, Aushändigung des Filmmaterials bis hin zu längeren Gefängnisaufenthalten reichten. Es bewährten sich kleine, unauffällige, billige, Kameras.
Auch politische Themen waren nicht offen zu besprechen. Heikle Punkte mussten in Andeutungen versteckt werden und wurden in "normale" Geschichten eingebettet.
Das nächste Paradoxon liegt in der iranischen Revolution (1979), welche
eine Rückkehr zur alten, strengeren religiösen Gesellschaftsform
mit sich brachte und damit nicht "unserem" Freiheitsbegriff korrespondiert,
der sich in der französischen Revolution (1789-1799) oder friedlichen
Revolution (1989) manifestierte. In der Hitze der iranischen Revolution
brannten die Kinos und damit viel Filmmaterial
buchstäblich aus. Manches Filmmaterial jedoch, welches sich damals in
Privatarchiven befand, hat überlebt und kann heute gesichtet werden.
Heute ist das Zeigen des Filmmaterial politisch möglich (denn es wurde
unter der letzten Schah-Herrschaft gedreht und richtete sich gegen dieselbe),
es muss jedoch trotzdem den Blick der skeptischen Revolutionsbehörden
bestehen. Im ganzen Land gibt es nur
einen Digitalisierungsapparat für die ganzen Schmalfilme.
In Anbetracht von deren langen Reise (auf die zeitlichen, gesellschaftlichen wie auch die topographischen Distanzen bezogen) ist es eine Freude und ein Privileg, in Dresden das historische Material gezeigt und erklärt zu bekommen. Am heutigen Abend haben Hadi Alipanah und Jutta Wille lange Einstellungen von alten Zeremonien gebracht, aber auch Blicke in den damals modernen Iran ermöglicht.
15. März: Kleine Wortkorrektur
17. März: Umformulierungen
25. März: Zeichenkorrektur; Titel sortiert
* (31. März): Das ist nicht ganz richtig, wie in der zweiten Iran-Veranstaltung zu erfahren war: Der Iran hatte zu dem Zeitpunkt bereits bewegte Jahre hinter sich und konnte durchaus auf eine demokratische Tradition verweisen, z. B. die Konstitutionelle Revolution 1905-1911, infolge derer ein Parlament eingeführt wurde. Dieses war jedoch schnell wieder entmachtet und diente seit Reza Schah Pahlavi (an der Macht ab 1925/1926) als Show-Parlament weiter.
1. April: Namensnennung geändert