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Kommentar zu taz-Übersetzung von New-Yorker-Artikel

Wie viel Selbstbetrug steckt im ("nicht"-)touristischen Reisen?

In der taz erschien kürzlich eine Übersetzung eines grandiosen Artikels gegen das Reisen: Link zum Artikel [Archiv]. Es brannte mir jedoch auch auf den Nägeln, diesen Kommentar-Artikel zu veröffentlichen.


Zum inhaltsgleichen Bluesky-Thread

Ich bin auch ein bisschen ertappt, denn ich fahre mit dem Vorsatz, sinnvolles zu erledigen. Eine Beziehung zu den Leuten, die ich treffe, einzugehen, fällt mir trotzdem schwer. Gleichzeitig selbst-versichere ich mich laufend der Sinnhaftigkeit der Reise.

Man kann die Mainstream-Tourismus-Vermeidung auf andere Bedeutungsebenen übertragen: Wer sich brüstet, nicht die Mainstream-Kultur zu konsumieren, konsumiert trotzdem noch Kultur. Ich mache das an der dem Konsum innewohnenden Passivität sowie an der Marktlogik, die nicht gebrochen wird, fest.

Auf die Homevideo-Ebene gesetzt: Im privaten Bereich werden seit Super-8 Videos von Urlauben, Grillabenden, etc. gemacht; auch im Amateurtheater ist man vor und hinter der Bühne nicht vor den Kameras anderer Ensemble-Mitglieder sicher. Ich zweifle den Sinn dieser ganzen Fotos/Videos an.

Auf die kulinarische Ebene gesetzt: Im Artikel wird das Beispiel eines zuhausebleibenden Fahrplankenners positiv hervorgehoben. Wie ist nun das Zubereiten/Essen von nicht-lokalen Gerichten bzw. überhaupt nach Rezept statt nach Hausgarten zu bewerten? Kurz: das finde ich a) sinnvoll, weil man mit einer Diversität umzugehen lernt, die für die mit dem globalen Kontrollverlust aka Klimawandel einhergehenden Migrationsbewegungen, der man ggf. auch selbst angehören wird, sowie Hitzeänderungen notwendig ist, und weil man physiologische Nahrungsmittelpräferenzen herausfinden kann und gleichzeitig b) nicht sinnvoll, weil m.E. das Leben im Sinne der Schonung der Ökosysteme mehr zum Rhythmus der Natur ausgerichtet werden muss. Der Punkt a) ist analog zur dringend notwendigen Bewahrung aller natürlichen Diversität, dazu auch deren Wanderungsstationen wie dem Elbufer/Ostra-Gehege zu verstehen.

Ungerecht, wie oben angedeutet, ist die pauschale Unterteilung in gut und schlecht bzw. die nur kurze Abhandlung der öffnenden Klausel der Notwendigkeiten/Verpflichtungen/Künste/Studium/Wohltätigkeit. Zumindest ist zu befürworten, dass eine Reise nicht rechtfertigt werden muss.

Dass im Mittelalter Tagesreisen 30-60 km betrugen, und dass Dresden-Meißen, Meißen-Oschatz, Oschatz-Grimma/Wurzen und Grimma/Wurzen-Leipzig genau solche Distanzen aufweisen, ist bei der Artikellektüre beruhigend relativierend. Unsere Siedlungsstruktur ist auf das Reisen ausgelegt!

"Fun Fact": Die Römer*innen waren nicht nur die ersten Umweltverschmutzer*innen, sondern auch die ersten Tourist*innen. Ich meine gelesen zu haben, dass deswegen die griechischen Tempel so bekannt sind.

"Fun Fact" 2: Die Eisenbahn hatte seit ihrem Anbeginn einen touristischen Aspekt. Es entwickelten sich Reisebüros in/an den Bahnhöfen parallel zu Hotelanlagen bei Quellen/Thermen inmitten monströser Natur. Das Auto wiederum hat das Reisen nochmals verändert, das Flugzeug sowieso.




5.7.: Neuer Link zum Artikel


Dokument vom 30. Juni 2024, letzte Änderung am 5. Juli 2024. Seitenquelltext